Ein Abgang mit Glanz und Stil

Nachdem alle Schularten bereits ihre Zeugnisse entgegennehmen konnten, fand am Dienstagnachmittag, 28.8.2020, in der Sporthalle des Bildungszentrums zum letzten Mal vor den Sommerferien eine Würdigung für die Absolventen mit dem höchsten Bildungsabschluss statt. Mit dem Motto „Die goldenen 20er Jahre – Ein Abgang mit Glanz und Stil“ verabschiedeten sich die Schülerinnen und Schüler. Nachdem zunächst Frau Stumpf den Schülerinnen und Schülern ans Herz legte, den Augenblick zu leben, gratulierte auch die Schulleiterin Frau Märkt den Abiturienten zu ihrem gelungenen Abschluss. Mit ihrer Rede gab sie den Anwesenden drei Dinge mit auf den Weg: Zu anfangs erläuterte sie, dass das Leben nicht immer gleichbliebe und man sich Veränderungen stellen solle. Sollte man eine solche Veränderung als eine Krise erleben, so stecke darin eine Chance, gestärkt daraus hervorzugehen, hob sie weiter hervor. Zu guter Letzt verdeutlichte Frau Märkt, dass jedes Individuum in der Gesellschaft von ungeheuren Wert sei. Eine solche Bedeutung könne man an der aktuellen Corona-Krise beobachten, wo Kleines Großes bewirken kann.

Während insgesamt vier Durchläufen wurden in jeder Abschlussklasse die Zeugnisse und Preise einzeln übergeben, sodass auch die Eltern der Schülerinnen und Schüler anwesend sein konnten. Besonders hervorzuheben sind die Leistungen des Jahrgangsbesten Marvin Helmbold aus der Klasse WG2/3 mit einem Durchschnitt von 1,0 und die des Scheffelpreisträgers Jakob Westermann, der mit einer beeindruckenden Rede zu seinen Mitschülern sprach. Die Wilhelm-Röpke-Schule gratuliert allen Schulabgängern noch einmal herzlich und wünscht ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute.

Scheffelpreisrede von Jakob Westermann:

Abitur. Geschafft. Wir. In diese sehr chaotische, verderbliche Zeit hinein haben wir unser Abitur geboren. Quasi zwischen den Trümmern der Gesellschaft einer apokalyptischen Endzeit-Roman-Pandemie. Die Luft im Schulgebäude war betrunken von Ethanol und Desinfektionsmittel und unter den Einweg-Masken konnte man gar nicht unsere Erleichterung sehen, als es dann endlich vorbei war.

Das ist der Zeitgeist, und momentan trägt er Mund-Nasen-Schutz und kriselt sehr.

Aber:

Wir sind stolz. Denn: Der Weg dorthin, hin zum Abitur war serpentinenartig, manchmal steinig und mancherorts wimmelte es nur so von (Tief und Rück) – Schlaglöchern. Gelernt haben wir und gebangt. Immer und immer wieder. Den Boden unter den Füßen haben wir dabei aber nie verloren, gemeinsam sind wir weitermaschiert. Auch Corona konnte uns nicht stoppen.

Und: Auf der Strecke geblieben ist hier bei uns keiner.

Für uns endet am heutigen Tag eine Ära.

Wir sind nicht mehr länger (unmündige) Schüler, sondern sind jetzt (allgemein) hochschul-gereift. Wie eine überreife Frucht die sich lösen, und fallen will.

Und … wir werden fallen, werden scheitern, werden Niederlagen erleiden.

Aber das ist das Leben.

Und nach jedem Fall, jedem Scheitern und jeder Niederlage werden wir wieder aufstehen – wie Phönixe aus der Asche (na gut, das war jetzt vielleicht zu metaphorisch) und weitergehen und mit was auch immer, wo auch immer, weitermachen.

Was wären wir für Menschen, würden wir jetzt

schon – Ende 10, Anfang 20 – am Leben verzweifeln.

In der Schule waren wir immer auch Schützlinge. Da schwebte kein Damoklesschwert über unseren rauchenden Köpfen. Uns wurde diktiert, der Stoff indoktriniert und die wirklich großen Entscheidungen, die mussten wir noch nicht treffen. Getrost konnten wir die auf „nach dem Abitur dann“ verschieben.

Das ist dann jetzt. Überwältigend, oder ?

Für mich persönlich war die Schule auch immer ein Hafen. Ich bin immer sehr gerne hier her zurückgekehrt. Ja, wirklich. Das vetraute Umfeld, die Klassenkameraden und Freunde, die Lehrer. Der determinierte, durch-deklinierte Alltag. Ein Zahnrad in unserem Leben, das sich zuverlässig und gleichbleibend gedreht hat.

Aber jetzt wollen wir raus aus diesem Schulgebäude, raus aus diesem Schulsystem und rein in die Realität, das hektische, unsichere Treiben. Nervenkitzel. Adrenalin.

Und dieses eine mal ist die Ungewissheit nichts, wovor wir uns fürchten müssen. Das (ziellose) Treiben im Zeitfluss, gespannt sein darauf, wo es einen hinverschlägt. Was man machen wird. Welche Wege man einschlagen wird. Ohne festen Plan und ohne festes Ziel.

Ein Moment Stille. Nichts tun. Sich bewusst lösen, sich treiben lassen in der sanften Gleichgültigkeit der Zeit.

Manche von uns. Andere haben ihr Leben schon bis mitte 60 durchgeplant. Von mir aus.

Die Lehrer an der WRS vermittelten uns bis zu letzt, immer kritisch zu sein, stets zu hinterfragen und dogmatischen Wahrheiten und Ideologien nicht blind zu vetrauen.

Wie unumstößlich die Relevanz dieser Fähigkeit in den modernen Zeiten, in denen wir – moderne Menschen ¬– leben, ist, zeigt uns das Weltgeschehen. Wie ein Brennglas auf dem Zeitgeist lehrt uns die Gegenwart, dass der Mensch immer wach bleiben muss. Bomben, Panzer und Despoten sind allgegenwärtig und mit jedem neuen Tag wird noch mehr Hass geschürt. Der mächtigste Mann der Welt ist ein rumpelstilzchen-gleicher narzisstischer Demagoge, ein wahnhaftes Kind der dunklen Triade, das mit der Wahrheit russisch Roulett spielt. Ich werde ihn nicht beim Namen nennen.

Fake-News und postfaktische Ideologien regieren momentan die Welt. Aber die Ideologien von heute sind – da bin ich mir sicher – die Trümmer von morgen. Für uns, als nachrückende Generation, gibt es viel zu tun. Stichwort: Aufräumen.

Dabei sind wir, der Corona-Krisen-Jahrgang 2020 auch dazu aufgefordert, die Gesellschaft und den Planeten in all unsere künftigen Entscheidungen miteinzubeziehen und nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist auch unsere implizite Verantwortung. Gegenüber uns selbst und allen Generationen, die folgen werden. Denn 2020 ist der Anbeginn eines neuen Jahrzehnts, das sehr entscheidend sein wird. Für die Menschheit und den Planeten Erde.

Die Corona-Pandemie hat offenbart, was sich zwar immerzu unterhalb der Oberfläche des menschlichen Bewusstseins windet, aber im Fortschrittswahn des Menschen untergeht: Der Mensch ist fehlbar. Der Mensch ist nicht unantastbar und das Zeitalter des modernen Menschen birgt Herausforderungen und Komplikationen, denen sich der Mensch nicht länger entziehen kann und darf.

Die globale Gesellschaft ist gespalten und verliert sich immer mehr in Rivalitäten. Es gibt wieder sehr viel Hass inmitten unserer Gesellschaft und zu oft weicht der rationale Diskurs emotionalen, affektiven Gesten der Feinseligkeit und Missgunst. Ja, neben dem Klimawandel ist auch dies eine der großen, künftigen Herausforderungen, die wir angehen werden müssen.

George Orwell schrieb einst in seinem Roman „Farm der Tiere“ „

Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen.“

Dies möchte ich auf das 21. Jahrhundert und den Menschen übertragen: „Alle Menschen sind ungleich, aber manche sind ungleicher als die anderen.“ Ungleichheit. Disparität. Sozial, ökonomisch und ideologisch. Der Homo sapiens lebt heute im gleichen Jahrzehnt, aber die Menschen in gänzlich verschiedenen Zeiten. Gleichzeitigkeit. Meilenweit tiefe Graben untergraben die Gleichheit aller Menschen.

Auf was ich hierbei explizit hindeuten möchte: Bildung ist eines nicht: Ein Selbstverständnis. Wir alle sind privilegiert und erlangen am heutigen Tag die allgemeine Hochschulreife.

Der Optimist in mir, möchte jetzt auch noch mal das Wort ergreifen:

Wir sind bereit, diese Welt zu hinterfragen, wir sind mündig und werden auch sprechen. Niemand weiß, was die Zukunft bringt und wo wir alle in zehn Jahren sein werden und wer wir sein werden, aber ich hoffe, dass jeder von uns … wach sein wird.

Denn der Mensch steht heute und morgen an einem Scheideweg. Die Welt brennt, das Klima wandelt, Kriege sind nie weggewesen.

Uns ist allen bewusst, dass sich der Mensch nachhaltig verändern muss. Es liegt an uns, dieses Bewusstsein nicht zu verdrängen, sondern optimistisch und bestimmt in die Zukunft zu blicken und die Misstände beim Namen zu nennen. Ein gesellschaftliches Bewusstsein schaffen. Ja, wir sind hochkarätiges Humankapital und das ist unser Auftrag.

Wir leben in interessanten Zeiten…

Das klingt jetzt vielleicht alles sehr… dunkelgrau, aber ein Defaitist bin ich nicht. Ich bin ein Optimist. Selbst nach meinem Deutsch-Abitur…

Was ich allen hier anwesenden wünsche, ist dieses warme, umarmende Gefühl von Stolz, Dankbarkeit, Zuversicht und Anerkennung.

Apropos Dankbarkeit.

Auch ich möchte Danke sagen.

Meiner Klassen und Deutschlehrerin Frau Stahl-Kraft:

Genau einmal stahlen Sie mir Kraft: Als Sie mir meine Abiturnote in Deutsch verkündeten.

Aber Sie gaben mir in letzter Instanz weit aus mehr wieder: Anerkennung und Wertschätzung. Ich bin ein vieldenkender Mensch. Auf manchen Gedankenspaziergängen habe ich mich auch schon komplett verirrt. Ich lese (auch zwischen den Zeilen) und schreibe. Das haben Sie erkannt und mich anerkannt. Anerkennung ist das Rückgrat dieser leistungsorientierten Gesellschaft, zu der auch ich mich zähle.

Danke, Frau Stahl.

Und auch meiner Klasse möchte ich Danken. Die letzten drei Jahre, die wir als Gemeinschaft verbracht haben, waren für mich persönlich die beste Schulzeit, die ich je hatte. Jeder einzelne von uns hatte seinen festen, unumstößlichen Platz in diesem Konstrukt aus lauter ehrgeizigen, wissbegierigen, heiteren Menschen. Und wir als Gemeinschaft haben sehr viel gemeinsam geschafft. Auch wenn unsere gemeinsame Schulzeit jetzt endet, ich hoffe wir enden nicht.

Eine Säule des Erfolgs steht schon: Das Abitur.

Darauf baut jetzt jeder von uns seine eigene Zukunft auf.

Und jetzt feiern wir.

Feiern. Das haben wir uns verdient, wir dürfen jetzt so viel feiern und so viel träumen wie noch nie. Wir können Luftschlösser bauen ohne Ende. Unsere Zukunft liegt vor uns, beginnt hier und heute. Unser Abitur-Zeugnis, das wir heute endlich in den Händen halten, ist ein Siegel. Ein großes, rotes, wachsernes Siegel auf unserer Schulzeit. Jetzt beginnt eine neue Ära.

Auf das, was sein wird, und die Menschen, die wir sein werden.

Vielen Dank.

Jakob Westermann

(WG 2/1)