Gedanken eines Schüler, ob es eine Art Warnhinweis auf Bücher geben sollte, um Leser auf ein Buch vorzubereiten.

Vorwort: Im Rahmen des Deutschunterrichts lesen wir in der Klasse W2KI1T Romane, die die Klasse selbst ausgewählt hat. Zum zweiten Mal ist die Entscheidung der Klasse nun auf einen Roman gefallen, der sich explizit mit dem Thema Selbstmord beschäftigt. Deswegen ist in der Klasse eine Diskussion darüber entstanden, ob auch im Deutschunterricht Trigger-Warnungen für Schülerinnen und Schüler vor der Lektüre dieser beiden Romane hätten ausgesprochen werden sollen oder ob generell vor der Lektüre entsprechende Hinweise gegeben werden sollten.

Trigger in eigener Hand

Ein neues Buch, ein neuer Film, eine neue Serie – mal wieder eine aufregende Fahrt ins Ungewisse. Doch ist es wirklich immer so einfach und sorgenfrei? Plötzlich ist sie da, die eine Szene, die alles auslöst und das ganz ohne Warnung. Sensible Inhalte, wie besonders brutale oder gar sexuelle Gewalt sind immer wieder Bestandteil dieser Medien, oft wird aber nicht durch sogenannte „Triggerwarnungen“ darauf hingewiesen. Das gilt selbst für Romane wie Nick Hornbys „A Long Way Down“ oder „Tote Mädchen lügen nicht“ von Jay Asher, welche von uns bereits als Schullektüren zum Thema Selbstmord gelesen wurden, aber auf den ersten Seiten nicht explizit über die Inhalte der ernsten Thematik hinweisen. Deshalb ist es wichtig, sich mit Triggerwarnungen zu beschäftigen. Diese sollen den Konsumenten also schon im Vorhinein vor besagten Inhalten warnen, um gravierende Folgen zu verhindern, auch im Zeichen von psychischer Gesundheit.

In der Schule geht es meistens entweder darum, eine Pflichtlektüre zu lesen oder sich ein Buch auszusuchen. Wenn es sich nicht um Pflichtlektüre handelt, sondern die SuS die Lektüre selbst ausgewählt haben, bieten Triggerwarnungen Schülern direkt die Möglichkeit, das Buch ganz abzulehnen. Bei Pflichtlektüren ist immer noch der Dialog mit der entsprechenden Lehrkraft oder ausführlichere Vorbereitung auf das Bevorstehende möglich. Dies gilt vor allem für Schüler sensibler Natur. Wenn es schon Pflicht ist, bleibt genug Spielraum, um für Bewältigungsmaßnahmen zu sorgen. Spannungsabfall ist dabei nur bedingt zu beklagen, da die typische Inhaltsinformation auf dem Buchrücken schon Grundlegendes hergibt und Warnhinweise nicht immer konkret auf die Handlung abzielen.

Bestimmte Aktionen in Filmen, Serien und Büchern regen die Menschen zum Nachdenken an. „Das, was da passiert ist, ist vielleicht die Lösung meines Problems“ oder „so könnte es ja gehen“. Ohne den Hinweis, womit man sich vielleicht gar nicht erst mit der Thematik befas-sen würde, kommt man im Lauf der Zeit auf dumme Gedanken. Jedes Medium, bei dem etwas erzählt oder dargestellt wird, bietet das Risiko auf Nachahmung, so auch zum Thema Suizid. Ashers Roman „Tote Mädchen lügen nicht“ erhielt zusätzlich eine von Netflix produ-zierte Serie, die neben Selbstmord auch Situationen sexueller Gewalt offenbart, bei der aber zu Beginn nicht ausdrücklich auf die Inhalte aufmerksam gemacht wurde. Dies entfachte eine hitzige Diskussion, was den Streamingdienst dazu veranlasste, die Warnungen gründlich zu überarbeiten. Zuschauer, die ohne Warnung an die Sache rangehen, sehen die Serie plötzlich mit ganz anderen Augen, als wenn ihnen die Angelegenheit bewusst wäre. Sie schalten dann vielleicht gar nicht erst ein. Aber kann der fiktive Suizid zur Wirklichkeit werden? Diese Ge-fahr ist nicht zu unterschätzen. Triggerwarnungen erhöhen diese Möglichkeit auf jeden Fall nicht.

Wie die Zukunft kann auch die Vergangenheit betroffen sein. Es kann also vorkommen, dass ein traumatisches Erlebnis aus der Vergangenheit durch diese eine vergleichbare Szene wie-der aufgewühlt wird und Menschen dazu zwingt, sich erneut emotional damit auseinanderzusetzen. Das stellt eine gewaltige psychische Belastung dar, die nicht immer so einfach wieder bewältigt werden kann. Eine Triggerwarnung lässt diese Zustände also gar nicht erst entste-hen. Es kommt also einem simplen, logischen Zusammenhang gleich, dass man von bewuss-ter Gefahr die Finger lässt. Traumatische Erfahrungen können sogar zu Krankheiten wie bei-spielsweise einer posttraumatischen Belastungsstörung führen, was das Problem natürlich nochmal verschärft. Hier sind Triggerwarnungen, medizinisch gesehen, gar essenziell. Es gibt den Versuch der Konfrontation sowie die sofortige Ablehnung, aber es muss eine eigene Ent-scheidung geben, statt den ungewissen Gang in Richtung Abwärtsspirale.

Vorher mal Bescheid geben kann also richtungsweisend sein. Sensible Inhalte in der Medien-landschaft sind eine Herausforderung, die nicht nur Denkintensität steigern kann und mich fragen lässt, was ich eigentlich will, sondern ist auch für unsere psychische Gesundheit ext-rem wichtig. Sei es die Wiederkehr traumatischer Schatten der Vergangenheit oder die War-nung vor gefährlicher Zukunftsmusik. Autoren und Produzenten sollten die Entscheidung, mit welchen Themen man sich selbst konfrontiert und auseinandersetzt, jedem in die eigenen Hände legen.

Paul Seemann (W2KI1T)